Artikel Hamburg Abendblatt

Hamburger Abendblatt 17./18.08.13

Literaturzentrum in Hamburg

Wegbereiter für die Autoren von morgen

Das Literaturzentrum kümmert sich um viele Formen des Schreibens, auch an Schulen. Regelmäßig werden namhafte Autoren wie Richard Ford, Orhan Pamuk und Jonathan Franzen nach Hamburg geholt.

Von Thomas Andre

Foto: Juergen Joost

Vorsitzende Jutta Heinrich (l.), Heidemarie Ott und Alexander Häusser vom Literaturzentrum auf der Autorentreppe des Literaturhauses

 

 

Hamburg. Es waren nicht alle für den Umzug, als das Literaturzentrum 1989 am Schwanenwik andockte. Damals öffnete die repräsentative Stadtvilla ihre Pforten für die Literatur, sie heißt seitdem Literaturhaus und ist auch die Heimat eines eingetragenen Vereins, der den gleichen Namen trägt und als Literaturversorger Hamburgs Bekanntheit erlangt hat. Das mit der Literaturversorgung kann manchmal für Verwechslungen sorgen. Literaturhaus ist nämlich nicht gleich Literaturhaus – und zwar dann, wenn das Literaturzentrum zu Veranstaltungen lädt.

Klingt kompliziert, ist es aber gar nicht. Sowohl Literaturhaus e.V. als auch Literaturzentrum e.V. sind buchstäblich unter dem Dach des Literaturhauses angesiedelt. Dort wird, mit Blick auf die Außenalster, die Literatur weihevoll begangen, in Lesungen und Literaturfesten. Man darf nun durchaus sagen, dass der Literaturhaus Verein etwas prominenter das Feld der Literatur beackert: Das Team um Rainer Moritz holt regelmäßig namhafte Autoren wie Richard Ford, Orhan Pamuk und Jonathan Franzen nach Hamburg. Aber für die "Literaturvermittlung", wie es so schön heißt, auch für das Erlebnis "Literatur", ist das Literaturzentrum genauso wichtig. "Diese Großkopferten lesen bei uns nicht", sagt Jutta Heinrich forsch, wobei man das nie als Ansage in Richtung der anderen Institution verstehen würde. Die Vorsitzende des Literaturzentrums spricht halt nur selbstbewusst von den Vorzügen ihres Programms, "das etwas versteckter" sei, wie sie sagt – "wir machen die Vor- und Nachlese, wir blicken in unseren Veranstaltungen auf Ereignisse auf den Buchmarkt zurück oder haben Autoren da, bevor sie bekannt werden".

Heinrich war schon beim Literaturzentrum, als das noch von einem Raum in der Kunsthalle aus operierte. Sie übrigens plädierte damals für den Standort Schwanenwik – "eine glückliche Entscheidung". Was stimmt: Der Lese-ort Literaturhaus ist einfach ideal, und Abgrenzungsprobleme haben die beiden Vereine in der Tat keine. Beide werden von der Kulturbehörde institutionell gefördert, wobei das Literaturhaus mit einem deutlich höheren Betrag rechnen kann. Neidreflexe löst das bei den Leuten vom Literaturzentrum nicht aus, im Gegenteil – man ergänzt sich eben gut und arbeitet gut zusammen, wie Heinrich, ihr Vorstandskollege Alexander Häusser und Geschäftsführerin Heidemarie Ott unisono sagen.

Sie sitzen im sogenannten "Gartenzimmer" des Literaturhauses, heißt: Der Raum im zweiten Stock, direkt neben dem Büro, der den Blick frei gibt auf das grüne Hinterland der Villa. An der Wand hängen Fotos von T.C. Boyle, Heiner Müller und Wolf Biermann, und das Literaturzentrum-Trio versucht dann mal, seine Arbeit zu erklären. Das ist ja gar nicht so leicht, sich selbst zu loben. Aber weil es auf Anfrage geschieht, geht es dann doch. Man sei erfolgreich, weil man thematisch arbeite, sagt etwa Häusser, der wie Heinrich selbst Autor und ein Anwalt der Literatur ist, so wie das eben sein muss. Bücher, sagt er, "sind keine Inseln", sie sind die Orte, "an denen die Gesellschaft wichtige Fragen behandelt, Bücher sind das Fenster zur Gesellschaft".

Dass das Literaturzentrum den Büchern und Autoren die Wege zum Leser bereitet, lässt sich leicht an den vielen Reihen ablesen, die jenes im Programm hat: "Was uns auf den Nägeln brennt", "Tea-Time-Lesung", "Hamburger Lese-Frühstück", "Neue Bücher Hamburger Autoren". Eingeladen am Schwanenwik sind Romanciers, Sachbuchautoren, Experten, Lyriker, Unbekannte und Bekannte. 250 Mitglieder hat das bereits 1974 gegründete Literaturzentrum.

Engagiert ist das Literaturzentrum in vielerlei Hinsicht, wobei die Schreibwerkstätten und Schulveranstaltungen zu den grundlegenden Aufgaben gehören; sie sind nicht hoch genug einzuschätzen. Häusser und Heinrich geben Schreibkurse, außerdem vermittelt das Literaturzentrum Lesungen Hamburger Autoren in Schulklassen. Schüler sind die Leser von morgen, manchmal auch die Autoren von morgen. Heinrich scheint Spaß an den Schulprojekten zu haben, jedenfalls klingt sie enthusiastisch, wenn sie von den vielen Schülern mit Migrationshintergrund spricht, die fantasievoll texten. Das Bildmedium, sagt ihr Kollege Häusser, werde immer mächtiger, "dabei ist die Sprache wie noch nie der Zugang zur Welt: Im Internet wird gequasselt ohne Ende".

Dies umzuleiten in Texte mit literarischem Anspruch oder zumindest das Interesse an Literatur zu wecken – das ist die hehre Aufgabe, der sich Heinrich, Ott, Häusser und ihre Mitstreiter verschrieben haben. Nächstes Jahr wird das Literaturzentrum 40, es wird eine positive Zwischenbilanz ziehen.

Infos zum Literaturzentrum, den Veranstaltungen und den Projekten in Schulen: www.lit-hamburg.de